Politik

Eisleber Blutsonntag

jährliche Gedenkveranstaltung auf dem Alten Friedhof Eisleben

MSH, Lutherstadt Eisleben.

Etwa 30 Antifaschistinnen und Antifaschisten versammelten sich Heute zur diesjährigen Gedenkveranstaltung anlässlich des 91. Jahrestages des Eisleber Blutsonntags auf dem Alten Eislebener Friedhof. Eingeladen hatte hierzu der Kreisverband der Partei Die Linke Mansfeld-Südharz.

Die beiden emotionalen Reden von Stefan Gebhardt, Mitglied des Landtages der Partei Die Linke sowie Sven Kassik, dem stellvertretenden Bürgermeister der Lutherstadt veröffentlicht die Mansfeller Zeitung im nachfolgenden.




Rede von Stefan Gerbhardt, MdL (Die Linke)

Als Eisleber Blutsonntag ging der 12. Februar 1933 in die Geschichte der Lutherstadt ein. An jenem Tag fand ein Propagandamarsch der SA und SS durch Eisleben statt. An diesem sogenannten „Propagandamarsch“ waren 600 Mitglieder der SA und SS, bewaffnet mit Waffen und Feldspaten, beteiligt.

Ein von der KPD genutztes Gebäude sowie die unmittelbar daneben liegende Turnhalle des Arbeitersportvereins wurde brutal gestürmt. In der Turnhalle befanden sich neben den Arbeitersportlern auch etwa 30 Jugendliche im Alter von 13-14 Jahren. Die Jugendlichen waren in Vorbereitung einer nachmittags geplanten Veranstaltung zur Jugendweihe in der Halle. Sie wollten sich auf diesen Tag vorbereiten, den Tag der Jugendweihe, einem so schönen Tag und erlebten dann Entsetzliches.

Die SA- und SS-Leute schossen auf die Anwesenden und schlugen vor allen mit ihren Feldspaten auf sie ein. Dabei wurden die Mitglieder der KPD Otto Helm, Werner Schneider und Hans Seidel ermordet. Es gab bis zu 25 teils schwer Verletzte. Dieser Eisleber Blutsonntag gilt als der Beginn des Faschismus in Eisleben.

Die nachfolgenden Ereignisse sind bekannt: 6 Millionen tote Jüdinnen und Juden, 250.000 Sinti und Roma, 250.000 Menschen mit Behinderungen. Das sind die Zahlen des Holocaust, den die Nazis begangen haben. Aber dem nicht genug. Deutschland begann 1939 den Zweiten Weltkrieg und überfiel fast ganz Europa. Rund 3,5 % der Weltbevölkerung starb durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges, das sind geschätzt 75 Millionen Todesopfer. Erstmals starben deutlich mehr Zivilisten als Soldaten. Dies sind auch heute noch unfassbare Zahlen, die an Grausamkeiten nicht zu überbieten sind.

Seitdem geht der Schwur: „Nie wieder! Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“

Im Grundgesetz steht als Erstes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Wie steht es heute um die Würde der Menschen? Wie steht es um die, wegen denen wir uns hier versammelt haben?

Bundes- und Landtagsabgeordnete sagen heute folgende Sachen: "Die politische Korrektheit gehört auf dem Müllhaufen der Geschichte" Alice Weidel (AfD) oder andere Sätze wie, "Wir sollten eine SA gründen und aufräumen!"

„Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ - Björn Höcke, AfD

Wer so redet, redet in der Argumentationslinie von denen, die vor 91 Jahren Hans Seidel, Otto Helm und Werner Schneider erschlagen haben. Es ist deren Wiedergeburt. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir heute hier an die Opfer erinnern, ihrer gedenken und sie ehren. Und es ist so wichtig, dass die, die wollen, dass die Mörder nicht die Oberhand bekommen, sondern weiterhin wollen, dass die Würde des Menschen unantastbar bleibt, endlich aufstehen und sich zeigen.

Seit Wochen demonstrieren täglich tausende Menschen gegen Rechtsextremismus. Auch in Sangerhausen hatten sich vor 14 Tagen Hunderte Menschen auf dem Marktplatz versammelt, einen Tag später in Aschersleben fast 1000 Menschen. In Halle fand mit 16.000 die größte Demonstration seit der Wende statt.

Es ist so wichtig für den Erhalt von sozialer Infrastruktur zu streiten. Den Erhalt von Schulen, denn wir brauchen mehr Bildung. Den Erhalt des Theaters, das so wichtig ist, in diesen Zeiten. Dank an alle, die hierbei mitgewirkt haben. Und wir müssen noch mehr tun, mehr in Bildung investieren. Mehr soziales Miteinander. Der Staat muss hier seinen Aufgaben gerecht werden, denn es hat alles miteinander zu tun.

Meine Damen und Herren, am 9. Juni diesen Jahres sind Kommunalwahlen hier in unserer Region. Hier brauchen wir Menschen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen. Überlassen wir nicht denen die Räte und Kreistage, die für Krieg, Hass und Nationalismus stehen. Wir brauchen klare Mehrheiten, für ein soziales Miteinander, für Kultur, Bildung und Menschlichkeit. All das sind die Dinge, die uns hier verbinden. Das muss im Mittelpunkt stehen.

Heute gedenken wir der Opfer des Eisleber Blutsonntags. Sorgen wir dafür, dass das „Nie wieder!“ tägliche Realität wird.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!



Rede von Sven Kassik, stellvertretender Bürgermeister der Lutherstadt Eisleben

Sehr geehrte Anwesende!

In Freiheit und Frieden leben zu können, das Recht, seine Meinung frei zu äußern, zu demonstrieren, zur Wahl zu gehen, zu wählen und sich wählen zu lassen - all das sind keine Geschenke. All das ist nichts, worauf man sich ausruhen kann. All das ist nicht selbstverständlich. All das ist erstritten. Erkämpft. Wir alle, als Gesellschaft und jeder einzelne für sich, tragen hohe Verantwortung für den Schutz dieser unschätzbaren Güter.

Frau Dr. Angelika Klein, zu diesem Zeitpunkt noch Landrätin unseres Landkreises, mahnte bereits 2016 - hier, genau an dieser Stelle: “Neofaschistische, antisemitische und rassistische Ideologien kommen inzwischen aus der Mitte der Gesellschaft. Sie sind in vielen Regionen der Bundesrepublik schon Bestandteil der Alltagskultur und es sind eben nicht nur sozial Schwache und Entrechtete, die marschieren, es sind, wie wir aus Sachsen wissen, auch Menschen aus dem Mittelstand.

Und gegen genau diese Ideologien gehen dieser Tage vielerorts wieder sehr viele Menschen deutschlandweit auf die Straße.

Sie demonstrieren für den Erhalt ihrer demokratischen Grundrechte, sie kämpfen für Meinungsfreiheit, für Vielfalt. Sie wehren sich gegen Diskriminierung gegen Anfeindungen, gegen Rassismus und Antisemitismus.

Sehr verehrte Anwesende, ich bin dankbar in Freiheit leben zu dürfen. Und ich wünsche mir, dass dieses Privileg auch noch meinen Enkeln und ihren Kindern und allen darauf folgenden Generationen zuteil werde.

Auch die Menschen, denen wir am heutigen Tage gedenken, hatten diesen Wunsch. Dass es in Erfüllung gehen wird, haben sie nicht mehr erleben dürfen. Ein jähes Ende fand ihr Leben. Walter Schneider, Otto Helm und Hans Seidel fielen dem Eisleber Blutsonntag zum Opfer.

Am 12. Februar 1933 ziehen 600 SA- und SS- Angehörige durch Eisleben - ihr Ziel ist die Turnhalle in der Zeißigstraße und das "Klassenkampfgebäude“ im Breiten Weg. In der Turnhalle findet gerade eine Jugendweiheveranstaltung statt. Für die eingekesselt Gemeinschaft, zu der 30 Jugendliche gehören, gibt es kein Entkommen. 15 Genossen werden schwer verletzt - zwei - Otto Helm und Walter Schneider erliegen noch vor Ort ihren Verletzungen. Den schwer verletzten Bergmann Hans Seidel bringt man noch ins Bergarbeiterkrankenhaus. Dort verstirbt er am folgenden Tag. Gemeinsam mit Otto Helm und Walter Schneider wird er auf dem städtischen Friedhof beigesetzt. Die Umbettung hierher, auf dem Camposanto, erfolgte 1948.

Alljährlich treffen wir uns hier und gedenken ihrer und diesem Tag. Ihr Schicksal, ihre Geschichte, sollen uns mahnen, aufrütteln, warnen.

Nicht nur Hetze, verbaler Hass bis hin zur körperlichen Auseinandersetzung gibt es heute wieder.

Nein, es gibt Kräfte in unserer Gesellschaft, unter uns, die unverhohlen über die Aussiedlung von Menschen sprechen und entsprechende Pläne entwickeln. Sie nennen es Remigration. Und sie erhalten dafür Zuspruch.

Es ist unsere, es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – diesem etwas entgegenzuhalten und uns den Kräften, die unser Demokratieverständnis und unsere Rechtsstaatlichkeit aushöhlen, bis an die Grenzen auszuloten und sabotieren, in den Weg zu stellen.

Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz haben keinen Platz in unserer Mitte!

Sehr geehrte Anwesende, die Freiheit ist unser höchstes Gut. Wir müssen sie wertschätzen und schützen. Sie ist eine Chance und eine Verantwortung. Der müssen wir gerecht werden!

Holger Hüttel

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