Politik

Landesregierung treibt erneut Keil zwischen Landkreise und Kommunen

Statt Ursachen zu Bekämpfen, sollen nur Symptome durch eine Änderung des Kommunalverfassungsgesetz geheilt werden

MSH - Sangerhausen/Eisleben/Hettstedt.
In dieser Woche berät der Landtag von Sachsen-Anhalt u.a. über eine Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes. In diesem Zweiten Gesetz zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes ist neben diversen anderen neu zu regelnden verfassungsrelevanten Vorschriften auch die Änderung der § 1oo und § 1o3 vorgesehen.
Der § 1oo Absatz 1 legt bisher fest, dass Kommunen, also Städte, Gemeinden und Landkreise jedes Jahr eine Haushaltssatzung zu erlassen haben. Diese soll dann für das jeweilige Haushaltsjahr gelten und zu Beginn des Haushaltsjahres auch in Kraft treten. In Ausnahmefällen können auch Doppelhaushalte, d.h. für 2 Jahre, jedoch nach Haushaltsjahren getrennt, erlassen werden.
Dies führte bisher dazu, dass alle Kommunen und Landkreise versuchten möglichst am Ende eines Vorjahres einen Haushalt für das kommende Jahr aufzustellen.
Soweit so gut, wäre da nicht, das vor allem in Sachsen-Anhalt auftretende Problem der "Verfassungsmäßigkeit" oder richtiger Weise ausgedrückt der Rechtmäßigkeit gemäß KVG der aufzustellenden Haushalte.
Denn, der § 98 Abs. 3 der Kommunalverfassung legt fest, dass „der Haushalt in jedem Haushaltsjahr in Planung und Rechnung auszugleichen“ ist. Auf die Möglichkeit, in schwierigen Jahren auf eventuell vorhandene Rücklagen zuzugreifen, brauche ich hier nicht eingehen, da kaum eine Kommune in unserem Heimatland über solche noch verfügt.
Diese Situation ist den Regierenden in Sachsen-Anhalt seit Jahrzehnten bekannt und sie haben bisher nicht die notwendigen Schritte zur Behebung der Probleme unternommen – sie bisher nur ausgesessen –.
Somit hat sich die Lage innerhalb der sogenannten kommunalen Familie, also zwischen den Städten und Gemeinden gegenüber den Landkreisen zunehmend verschärft.
Da sich die Kommunen nicht mehr anders zu helfen wussten, passierte genau das, was kommen musste, die beiden letzten am finanziellen Futternapf dieses Landes streiten sich um die mehr als unzureichenden Reste!
Dies geschieht in der Form, dass man sich die jeweiligen Zuweisungen von den Kommunen an die Landkreise in ihrer Höhe streitig macht. So klagen beginnend mit dem Jahr 2017 viele Städte und Gemeinden gegen ihre Umlage, die sogenannte Kreisumlage, an die jeweiligen Landkreise, die von denen in ihren Haushaltssatzungen festgelegt wurden und werden.
Die Landkreise wiederum schieben ebenfalls riesige Berge von Altschulden vor sich her und haben tiefe Löcher in ihren Haushalten. Da sie sich hauptsächlich jedoch aus der Umlage der Städte und Gemeinden finanzieren, klafft das Verständnis zur jeweiligen „Gegenseite“ mehr und mehr auseinander.
Aktueller Stand ist nun, dass es eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen gibt, die den Kommunen gegenüber den Landkreisen in Bezug auf die Festlegung/Abwägung zur Kreisumlage recht gaben und die Landkreise zur vollständigen oder teilweisen Rückerstattung aufforderten.
So hat des Landkreis Mansfeld-Südharz in 2o2o allein für das Haushaltsjahr 2o17 knapp 2o Millionen Euro an die Städte Sangerhausen, Hettstedt und Eisleben inkl. Zinsen zurücküberweisen müssen.
- Übrigens, der Termin für das mündliche Verfahren zur Kreisumlage beim Verwaltungsgericht in Halle für das Haushaltsjahr 2o18 ist bereits für den 23. November terminiert. -
Damit wiederum erreichte der Landkreis Mansfeld-Südharz im Jahr 2o2o ein neues Tief in seinem „Überziehungskredit“ von 8o Millionen Euro (6o Millionen Euro zuvor). Die drei genannten Städte konnten im Gegenzug ihre drei Kassenkredite deutlich reduzieren. Da es laut den jeweiligen Verwaltungen nicht für Investitionen genutzt werden darf oder soll, ist es sozusagen nur von einem Loch in ein Anderes verschwunden!
Dies zur Vorgeschichte.
Nun hat sich die CDU/SPD/Grüne - Koalition überlegt, wie sie aus dem Dilemma heraus kommt, ohne dafür selbst die Verantwortung - es stehen ja Landtagswahlen an - für den finanziell desolaten Zustand seiner kommunalen Ebene zu übernehmen. - Der § 1oo KVG LSA -
Dieser soll nun mit einem entscheidenden Satz wie folgt erweitert werden: „Zur Behebung von Fehlern kann die Haushaltssatzung auch nach Ablauf des Haushaltsjahres geändert oder erlassen werden.“
Zur Untermauerung des § 1oo soll auch der § 1o3 Abs. 1 Satz 1 zusätzlich wie folgt ergänzt werden: „Die Haushaltssatzung kann nur durch Nachtragshaushaltssatzung geändert werden, die bis zum Ablauf des Haushaltsjahres zu beschließen ist; § 100 Absatz 1 Satz 5 bleibt unberührt.“
Damit werden den Landkreisen scheinbar zeitlich unbegrenzt eine rückwirkende Festlegung oder Änderung von Kreisumlagen erlaubt.
Der Rechtsweg ist zwar verfassungsrechtlich weiter möglich, jedoch durch eine nachträgliche Heilung für die Städte und Gemeinden wenig hilfreich, was das erhoffte Ergebnis betrifft.
Nun stellt sich die Frage, warum eine Landesregierung und leider auch Teile der Opposition diesen Weg gehen, statt den Kommunen und Landkreisen wirklich helfend zur Seite zu stehen und die kommunale Finanzausstattung auf das erforderliche Maß zu erhöhen und damit den Streit zwischen Städten, Gemeinden und Landkreisen zu beenden.
Nach dem Motto, wenn Zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sollte zu mindestens die Opposition im Landtag nicht verfahren.
Ein völlig neuer Ansatz des finanziellen Ausgleichs zwischen Bund, Land, Kreisen und Kommunen wäre eine Lösung, die einzige richtige Lösung. Aber hier scheut man sich, sicherlich oft aus parteipolitischen Erwägungen, Kritik nach oben zu äußern oder gar zu fordern.
Mit der jetzt, scheinbar mit großer Mehrheit, zu verabschiedenden Änderung des KVG wird nicht eines der aktuellen Probleme gelöst. Ganz in Gegenteil.
Wieder werden Gerichte bemüht, um die Rechtsprechung wieder in Richtung der Landkreise zu drehen. Die Erfolge, auch rückwirkend der Städte und Gemeinden, werden einkassiert und am Beispiel des Landkreises Mansfeld-Südharz werden erneut ca. 2o Millionen Euro - sicherlich durch die Zinsen jetzt noch etwas mehr - aus den Kassenkrediten der Städte Sangerhausen, Eisleben und Hettstedt in das 8o Millionen Loch des Landkreises fließen. Die drei Städte werden dann natürlich wieder die 2o Millionen in ihren Überziehungskrediten einbuchen müssen.
D.h. effektiv keine Gewinner dieser KVG-Änderung in der kommunalen Familie, sondern nur bei der Landesregierung. Die damit verbundene erneute Selbstbeschäftigung der Kommunen und Kreise untereinander, statt den Verursacher der Probleme, das Land und den Bund zur Verantwortung zu ziehen und zum Handeln zu ermuntern, wird Folge sein.
Und die Frage muss gestattet sein, warum die Landesregierung nach wie vor mit untauglichen Mitteln nur die Symptome versucht zu heilen, statt an die Ursachenbekämpfung der Probleme der Kommunen und ihrer Finanzbeziehungen zu den Landkreisen geht.
Warum gibt es in Sachsen-Anhalt keine auch nur annähenden Vorgaben, wie eine Abwägung zur Kreisumlage zwischen Kreisen und Kommunen zu erfolgen hat? Oder eine Definition, was eine Kommune oder ein Landkreis an finanziellen Mitteln mindestens benötigt, um seine Aufgaben zu erfüllen?
Es werden also, trotz der möglichen mehrheitlichen Änderung des KVG wieder Gerichte von Fall zu Fall entscheiden, wie die kommunale Familie miteinander umgeht.
Ergebnis, eine weitere Abkehr der Bevölkerung, die ja bekanntlich den direktesten Kontakt zur Politik über die kommunale Ebene erfährt, wird weiter zunehmen.
Traurige Zukunft.

Holger Hüttel

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