Politik

Finanzpläne der Bundesregierung

Aufrüstung statt Aufbruch

Berlin, MSH.
Die Bundesregierung unter Kanzler Merz (CDU) und Finanzminister Klingbeil (SPD) hat ihre Finanzpläne für die Jahre 2025 und 2026 vorgelegt – und setzt dabei klare Prioritäten: Verteidigung und Infrastruktur. Doch hinter dieser nüchternen Ankündigung verbirgt sich ein drastischer Kurswechsel, der zu Recht kritisch hinterfragt werden muss. Denn was als „Investition in Sicherheit“ verkauft wird, droht in Wahrheit zur massiven Umverteilung zulasten sozialer, ökologischer und bildungspolitischer Belange zu werden.
170 Milliarden Euro neue Schulden – für wessen Sicherheit?
Klingbeil plant laut dpa-Informationen mit 170 Milliarden Euro neuen Schulden in zwei Jahren. Möglich macht das eine zuvor durchgesetzte Lockerung der Schuldenbremse und ein gigantischer Sondertopf über 500 Milliarden Euro für die Sanierung der Infrastruktur. Gleichzeitig steigen die Militärausgaben massiv: Schon im Jahr 2024 sollen 2,4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Verteidigungsetat fließen – mit dem Ziel, bis 2029 auf 3,5 % aufzurüsten. Rechnet man die geplanten Investitionen in militärisch nutzbare Infrastruktur dazu, ergibt sich ein Gesamtaufwand von rund 5 % des BIP.
Was abstrakt nach einem „moderaten“ Anteil klingt – „nur jeder zwanzigste Euro“ –, wird konkret zur Belastung für alle Bürgerinnen und Bürger. Bei einem BIP von 4,31 Billionen Euro im Jahr 2024 entspricht dieser Anteil 215,5 Milliarden Euro jährlich. Pro Kopf sind das über 2.600 Euro im Jahr oder rund 212 Euro monatlich – ein Betrag, den Jede und Jeder faktisch für Rüstung, Krieg und Verteidigung schultern soll.
Ein Haushalt für den Krieg?
Noch gravierender wird das Missverhältnis, wenn man die Zahlen ins Verhältnis zum Bundeshaushalt setzt: Dieser sieht für das Jahr 2025 Gesamtausgaben von 503 Milliarden Euro vor. 5 % des BIP – also 215,5 Milliarden Euro (wahrscheinlich 2025 sogar etwas höher) – entsprechen 43 % dieses Haushalts. Das bedeutet: Fast jeder zweite Euro, den der Staat ausgibt, könnte in Zukunft in Rüstung und Kriege fließen.
Diese Entwicklung entzieht sich jeglicher nüchterner sicherheitspolitischer Abwägung. Statt einer ausgewogenen Mittelverwendung, bei der auch Bildung, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz fair berücksichtigt werden, erleben wir eine Militarisierung des Haushalts. Ein derart hohes Niveau an Verteidigungsausgaben, das sich an Nato-Vorgaben orientiert, suggeriert ein permanentes Bedrohungsszenario – ohne dass dies transparent und demokratisch diskutiert wurde.
Verdrängte soziale Kosten
Die Frage, ob wir als Gesellschaft bereit sind, derart hohe Summen für militärische Aufrüstung zu bezahlen, wird im politischen Diskurs kaum gestellt. Stattdessen wird mit Prozentzahlen hantiert, die die reale Dimension der Ausgaben verschleiern. 5 % klingt harmlos – 215 Milliarden Euro sind es nicht.
Gleichzeitig werden in vielen Bereichen Sparzwänge geltend gemacht: marode Schulen, Personalmangel in Krankenhäusern, unterfinanzierte Klimaschutzmaßnahmen und ein sich verschärfender Wohnungsmangel oder immer mehr verarmende Kommunen. Wer diese Probleme kennt und selbst spürt, kann sich nur verwundert die Augen reiben, wenn in Rekordhöhe aufgerüstet wird.
Demokratie braucht Debatte, keine Aufrüstungspflicht
Die Bundesregierung täte gut daran, ihren Kurs transparent und offen zu diskutieren. Die Frage, „Wollen wir das wirklich?“, ist nicht rhetorisch – sie ist demokratisch. Sicherheit ist mehr als militärische Stärke. Sie umfasst auch soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität, Bildungschancen und ökologische Lebensgrundlagen und natürlich nach außen Diplomatie und Völkerverständigung, die auf gegenseitiger Achtung beruht.
Ein Land, das plant fast jeden zweiten Haushaltseuro in Rüstung zu stecken, muss sich fragen lassen, ob es wirklich sicherer oder nur gefährlicher geworden ist – für sich selbst und für andere.
Die geplanten Finanzstrategien dieser Bundesregierung und leider auch Teilen der Opposition führen zu einer strukturellen Schieflage. Die Bevölkerung hat ein Recht auf Transparenz und Mitsprache, wenn derartige Weichen gestellt werden. Sicherheit entsteht nicht durch Panzer allein – sondern durch eine solidarische, gerechte und nachhaltige Gesellschaft und ein zurück zu einer friedlichen Außenpolitik!

Holger Hüttel

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