BRD.
Ein Tag, der im Bewusstsein vor allem der ostdeutschen Bevölkerung hängen geblieben ist. Der Tag, der an den Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 und damit an den Beginn des Zweiten Weltkrieges erinnert, sollte Mahnung und Warnung vor neuen Kriegen und deren Folgen zugleich sein.
Zahlreiche Veranstaltungen der Friedensbewegung in Ost und West erinnerten und erinnern an diesem Tag, an die vielen vielen Kriege selbst sowie an deren Folgen, die solche sinnlosen militärischen Konflikte mit sich gebracht haben und mit sich bringen.
Durch die aktuellen Ereignisse, den Ukraine Krieg, ist jedoch leider ein deutlicher Rückgang friedenspolitischer Aktionen in Deutschland zu verzeichnen. Nicht zuletzt, vor allem durch die Diffamierung der Friedensbewegungen und seiner Akteure durch die politisch Verantwortlichen in unserem Land.
Trotz alledem ließen sich viele Menschen nicht davon abhalten für die Beendigung aller Kriege auf der Welt, so auch an diesem 1. September, auf die Straße zu gehen, an Kundgebungen teilzunehmen und zu demonstrieren.
Denn gerade in unserer aktuellen Zeit, in denen die Politik, vor allem auch in unserem Land scheinbar einzig nur auf die militärische Karte, statt auf Diplomatie setzt, ist es eigentlich wichtiger denn je, die Bürgerinnen und Bürger zu animieren für Frieden und Völkerverständigung friedlich zu kämpfen.
Daher veröffentlicht die Mansfeller Zeitung heute einen Redebeitrag, welcher auf der Weltfriedenstag-Veranstaltung am 1. September in Nürnberg gehalten wurde.
Im Gegensatz zu den Militärs, die Tag aus Tag ein auf den öffentlich-rechtlichen sowie privaten Radio und Fernsehsendern sich für mehr Rüstung und damit für mehr Bedrohungspotenzial aussprechen, gibt es auch Militärs, die sich für weniger Rüstung und mehr Diplomatie engagieren. So auch der Redner auf der Weltfriedenstag Kundgebung in Nürnberg, Jürgen Rose.
Jürgen Rose, ein Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr ist Vorsitzender des Förderkreises „Darmstädter Signal“, einer friedenspolitischen Organisation aktiver und ehemaliger Soldatinnen und Soldaten.
Hier sein Redebeitrag anläßlich der Kundgebung des Nürnberger Friedensforums am 1.9.23:
Die Welt braucht Frieden – nicht den Krieg!
von Jürgen Rose
Sehr geehrte Versammelte, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Es ehrt Sie sehr, daß Sie heute hier so zahlreich erschienen sind und damit ein Zeichen setzen für den Frieden auf der Welt, obwohl ungeachtet des heutigen Anti-Kriegstages das große Schlachten in der Ukraine im nunmehr zweiten Jahr unerbittlich voranschreitet.
Denn es braucht durchaus Mut, um in diesen Zeiten allgegenwärtigen und allumfassenden Kriegs- und Sieggetrommels aufzustehen und die Stimme zu erheben gegen das massenhafte Morden auf den Schlachtfeldern im Osten Europas.
Heute übersteigt die Zahl der willigen Koalitionäre, die sich unter Federführung der USA im Kampf gegen Rußland zusammengeschlossen haben, den Umfang der Anti-Hitler-Allianz im Widerstand gegen Nazi-Deutschland. Damals nannte man dies einen Weltkrieg, nämlich den Zweiten Weltkrieg – womit also haben wir es heutzutage im Hinblick auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine zu tun? Befinden wir uns nicht längst in einem Dritten Weltkrieg, den die gesamte NATO im Verein mit zahlreichen willigen Helfershelfern unter ebenso zynischer wie menschenverachtender Ausbeutung von Selbstbehauptungswillen und Opferbereitschaft der ukrainischen Männer und Frauen führt, gemäß der von der als Außenministerin Deutschlands amtierenden Kriegsfurie propagierten, widerwärtigen Parole: „Wir werden Rußland ruinieren“? Und laufen diejenigen, die auf beiden Seiten der Front diesen mörderischen Krieg immer weiter eskalieren, nicht erhebliche Gefahr, daß dieser zuletzt in einer unkontrollierbaren nuklearen Konfrontation endet?
Gemäß der dem Publikum von Politik und Massenmedien pausenlos eingehämmerten Darstellung handelt es sich bei dem Krieg in der Ukraine um einen glasklaren Angriffskrieg.
Und ein solcher stellt laut dem Urteilsspruch des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals von 1946 „das größte internationale Verbrechen [dar], das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, daß es in sich alle Schrecken vereinigt und anhäuft“. Im Hinblick auf dieses Narrativ scheint mir äußerst bedeutsam, was ein höchst renommierter US-amerikanischer Historiker, Politik- und Wirtschaftswissenschaftler zur Problematik der Entscheidung darüber, wer in einem Krieg denn jeweils als Angreifer und als Verteidiger zu gelten habe, geschrieben hat. Sein Name lautete Stefan T. Possony. Er war als österreichischer Jude nur knapp den Gestapo-Schergen Adolf Hitlers entkommen und diente nach einer spektakulären akademischen Karriere an US-amerikanischen Spitzenuniversitäten dem US-Präsidenten Ronald Reagan als Berater in Sachen Strategische Raketenabwehr (SDI) – ein knallharter erzkonservativer Falke und folglich keinesfalls ein vom Pazifismus durchdrungener „linker Spinner“. Jener Professor Possony also merkte zur Problematik von Angriff und Verteidigung folgendes an:
„Bei der strategisch-politischen Beurteilung einer konkreten Situation ist es oft schwierig, Angriff von Verteidigung zu unterscheiden. … Der Befehl, einen vorliegenden Offensivplan durchzuführen, mag militärisch einen Angriff darstellen, die Offensive, selbst wenn es sich um einen bewaffneten Einzelfall handelt, mag jedoch strategisch-politisch rein defensiven Motiven entspringen. … Trotz der offensichtlichen Schwierigkeiten, die eine klare und rechtsverbindliche Definition ausschließen – es hängt eben alles von den Umständen ab –, läßt sich, theoretisch gesprochen, jene Regierung oder konspirative Gruppe als Angreifer kennzeichnen, die die Entscheidung trifft, Krieg zu führen, um die internationale Machtverteilung zugunsten der eigenen Seite zu verändern. Hingegen läßt sich die Regierung, die einen Krieg führt, um die eigene Schwächung oder Zerstörung oder eine wesentliche Veränderung der gegebenen internationalen Machtlage zu verhindern, als Verteidiger bezeichnen.“
Ganz ähnlich muß das vor mehr als fünfhundert Jahren schon einer der Gründerväter der Politischen Theorie, der italienische Philosoph und Machttheoretiker Niccolò Machiavelli gesehen haben, als er konstatierte: „Nicht wer zuerst zu den Waffen greift, ist der Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt.“
Wer in der Ukraine zuerst zu den Waffen gegriffen hat, steht scheinbar fest, obwohl die OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM), die Beobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, vor einem Jahr gänzlich Anderes aus dem Donbass zu berichten hatte: Acht Tage vor dem Beginn des russischen Einmarsches hatten die ukrainischen Streitkräfte nämlich eine großangelegte Artillerieoffensive gegen die abtrünnigen Volksrepubliken begonnen, um diese mittels militärischer Gewalt zurückzuerobern, ganz so wie Präsident Selenskij dies im März des Vorjahres bereits angeordnet hatte – unter grober Mißachtung des durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für völkerrechtlich verbindlich erklärten Minsker Abkommens, in dem unter anderem eine Autonomieregelung für den Donbass vereinbart worden war. Dieser höchst bedeutsame Umstand wird freilich von unseren NATO-treuen Mainstream-Propagandamedien bis heute geflissentlich verschwiegen.
Wer also sind jene Anstifter des Unheils, die zum Krieg in der Ukraine genötigt haben?
Denn folgt man Machiavellis Erkenntnis, dann begeht nicht nur, wer einen Angriffskrieg beginnt, einen eklatanten Völkerrechtsbruch, sondern auch derjenige, welcher einem derartigen Verbrechen gegen den Frieden dadurch Vorschub leistet, daß er es unterläßt, alles Menschenmögliche zur Erhaltung des Friedens, also zur Verhinderung jenes Völkerrechtsverbrechen, zu tun. Auch friedensstörende Handlungen, die einen politischen Akteur zu einer kriegerischen Aggression zu provozieren geeignet sind, wie beispielsweise die skrupellose Ausdehnung eines Militärbündnisses unter ignoranter Vernachlässigung von Sicherheitsinteressen anderer Staaten, die einseitige Aufkündigung essentieller Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge, die völkerrechtswidrige Intervention in die von der Satzung der Vereinten Nationen geschützten inneren Angelegenheiten souveräner Staaten oder sicherheits destabilisierende, maßlose Aufrüstungsmaßnahmen konstituieren (regierungs-)kriminelle Akte.
Will man sich der Beantwortung der Frage nach den Anstiftern des Unheils in der Ukraine annähern, ist es, um dem ideologiegesättigten Anwurf eines etwaigen unangebrachten Verständnisses für Rußland oder – horribile dictu – gar Präsident Putin, vorzubeugen, ratsam und unabdingbar ausschließlich Beobachter heranziehen, die über einen derartigen Verdacht vollkommen erhaben sind.
Als ersten solchen Kronzeugen rufe ich den ehemaligen US-Botschafter in der Sowjetunion und Direktor für europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der USA, Jack F. Matlock, auf. Dieser konstatiert im Hinblick auf die vielbeschworene „regelbasierte Weltordnung“: „Aber es war der Westen, der damit begonnen hat, dieselben internationalen Regeln zu brechen, als die Nato wegen Kosovo Serbien bombardiert hat. Unsere zweite Verletzung der Schlußakte von Helsinki – wonach Grenzen nur veränderbar sind, wenn beide Seiten zustimmen – war, als wir die Unabhängigkeit von Kosovo akzeptiert haben. Putin sagt: Ihr habt den Präzedenzfall geschaffen. Jetzt verletze ich die Regeln. Das müssen wir berücksichtigen, wenn wir über Legalität reden. So zu tun, als ob Rußland etwas Einzigartiges täte und Rußland zu einem besonderen Ausgestoßenen zu machen, ist unfair.“ Und weiterhin führt Matlock aus: „2008 entschied die Nato, die Ukraine auf eine Spur zur Mitgliedschaft zu setzen. Ein in seinem Inneren tief gespaltenes Land, direkt vor Rußlands Türe. Das alles waren sehr dumme Schachzüge des Westens. Heute haben wir die Reaktion darauf. Wenn China anfangen würde, eine Militärallianz mit Kanada und Mexiko zu organisieren, würden die USA das nicht tolerieren. Wir würden uns auch nicht auf abstrakte Prinzipien von internationalem Recht beschränken lassen. Wir würden das verhindern. Mit jedem Mittel, das wir haben. Jedes Land, das die Macht dazu hat, würde das tun. (…) Putin handelt so, wie jeder russische politische Verantwortliche unter diesen Umständen handeln würde.“
Als zweite, ernstzunehmende Persönlichkeit sei der ehemalige Verteidigungsminister und Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Schmidt, angeführt. Der in der Wolle gefärbte Transatlantiker, der wegen seines unbeirrten Festhaltens am Beschluß der NATO zur nuklearen Nachrüstung sein Amt verloren hatte, gab im August 1993 zu Protokoll:
„Wenn ich ein sowjetischer Marschall wäre oder ein Oberst, würde ich die Ausdehnung der Nato-Grenzen, erst von der Elbe bis an die Oder und dann über die Weichsel hinaus bis an die polnische Ostgrenze, für eine Provokation und eine Bedrohung des Heiligen Russland halten. Und dagegen würde ich mich wehren. Und wenn ich mich heute dagegen nicht wehren kann, werde ich mir vornehmen, diese morgen zu Fall zu bringen.“ Mir scheint, daß Helmut Schmidt seinen Possony gelesen hatte.
Als dritte warnende Stimme soll Papst Franziskus zu Wort kommen. In einem Interview zum Ukrainekrieg äußerte er: „Um diese Frage [nach dem Angriffskrieg] zu beantworten, müssen wir uns von dem üblichen Schema des „Rotkäppchens“ lösen: Rotkäppchen war gut, und der Wolf war der Bösewicht. Hier gibt es keine metaphysisch Guten und Bösen auf abstrakte Art und Weise. … Die NATO-Staaten bellen vor den Toren Rußlands und sie verstehen nicht, daß die Russen imperial sind und keiner fremden Macht erlauben, sich ihnen zu nähern … Die Situation könnte zu einem Krieg führen. … Aber die Gefahr ist, daß wir nur das sehen, was ungeheuerlich ist, und nicht das ganze Drama sehen, das sich hinter diesem Krieg abspielt, der vielleicht in gewisser Weise entweder provoziert oder nicht verhindert wurde. Und ich registriere das Interesse am Testen und Verkaufen von Waffen. Das ist sehr traurig, aber darum geht es ja offensichtlich. …Ich bin einfach dagegen, die Komplexität auf die Unterscheidung zwischen Guten und Bösen zu reduzieren, ohne über die Wurzeln und Interessen nachzudenken, die sehr komplex sind.“
Zahlreiche weitere Stimmen ließen sich hinzufügen. Allesamt weisen sie darauf hin, an wen sich die Forderung nach einer umgehenden Beendigung des Krieges und einer Friedensregelung auf diplomatischem Wege zu richten hat: Zuvörderst an die NATO-Kriegstreiber in Washington, Brüssel, London und Warschau, denn diese haben im Sinne des eingangs zitierten Niccolò Machiavelli das „Unheil“ in der Ukraine maßgeblich „angestiftet“.
Völlig zu Recht hat daher Deutschlands berühmtester lebender Philosoph, Jürgen Habermas, bereits vor längerer Zeit die Forderung nach unverzüglichen diplomatischen Anstrengungen erhoben, als er erklärte: „Mir geht es um den vorbeugenden Charakter von rechtzeitigen Verhandlungen, die verhindern, daß ein langer Krieg noch mehr Menschenleben und Zerstörungen fordert und uns am Ende vor eine ausweglose Wahl stellt: entweder aktiv in den Krieg einzugreifen oder, um nicht den ersten Weltkrieg unter nuklear bewaffneten Mächten auszulösen, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen.“
Für derartige diplomatische Initiativen liegen ernsthafte und ernstzunehmende Vorschläge schon längst auf dem Tisch. So hat beispielsweise schon im Sommer letzten Jahres die UN-Studiengruppe „Wissenschaft und Ethik des Glücks“, Frieden und Gerechtigkeit“ in ihrer „Erklärung Frieden und Gerechtigkeit“ eine Reihe von „Eckpunkten für einen Waffenstillstand und ein positives Friedensabkommen“ formuliert. Diese lauten:
(1) Neutralität der Ukraine, d.h. Verzicht auf die nationalen Ambitionen, der NATO beizutreten, bei gleichzeitiger Anerkennung der Freiheit der Ukraine, Abkommen mit der Europäischen Union und anderen zu schließen;
(2) Sicherheitsgarantien für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine, die von den P-5-Mitgliedern der Vereinten Nationen (China, Frankreich, Rußland, Vereinigtes Königreich und Vereinigte Staaten) sowie der Europäischen Union und der Türkei gegeben werden, was militärische Transparenz und Beschränkungen der militärischen Stationierung und groß angelegter Übungen in Grenzgebieten unter internationaler Beobachtung in Verbindung mit der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen beinhalten könnte;
(3) Russische De-facto-Kontrolle der Krim für einen Zeitraum von mehreren Jahren, nach dem die Parteien auf diplomatischem Wege eine dauerhafte De-jure-Regelung anstreben würden, die einen erleichterten Zugang der lokalen Gemeinschaften sowohl zur Ukraine als auch zu Rußland, eine liberale Grenzübergangspolitik für Personen und Handel, die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte und finanzielle Entschädigungen umfassen könnte;
(4) Autonomie der Regionen Lugansk und Donezk innerhalb der Ukraine, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Aspekte umfassen könnte, die innerhalb kurzer Zeit näher zu bestimmen sind;
(5) Garantierter kommerzieller Zugang sowohl der Ukraine als auch Rußlands zu den Schwarzmeerhäfen der beiden Länder;
(6) Die schrittweise Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Rußland in Verbindung mit dem Rückzug des russischen Militärs gemäß der Vereinbarung;
(7) Ein multilateraler Fonds für den Wiederaufbau und die Entwicklung der vom Krieg zerstörten Regionen der Ukraine – an dem sich auch Rußland beteiligt – und sofortiger Zugang für humanitäre Hilfe;
(8) eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zur Schaffung internationaler Überwachungsmechanismen zur Unterstützung des Friedensabkommens (…).
Einen weit weniger ambitionierten Vorschlag für eine zumindest vorläufige Konfliktregelung Haas hat im April dieses Jahres Richard N. Haass, ehemaliger Präsident des einflußreichen Thinktanks „Council on Foreign Relations“ und Berater des US-Verteidigungsministers Colin Powell, zusammen mit dem Politikwissenschaftler Charles Kupchan, vormals Europa- Chefberater von US-Präsident Barack Obama, formuliert. Den Ausgangspunkt ihres Vorschlages bildet die Prognose, daß das wahrscheinlichste Ergebnis des Krieges kein vollständiger Sieg der Ukraine, sondern ein blutiges Patt sein wird. Daher schlagen Sie einen sogenannten „Plan B“ vor. Dessen zentrales Element besteht in einem auf diplomatischem Wege ausgehandelten Waffenstillstand, der „faktisch einen neuen eingefrorenen Konflikt erzeugen würde“. Dadurch käme es zu einem „Status quo wie jenem auf der koreanischen Halbinsel, der seit 70 Jahren ohne einen formalen Friedensvertrag weitgehend stabil geblieben ist. Auch Zypern ist seit Jahrzehnten geteilt, aber stabil. Das wäre kein ideales Ergebnis, aber besser als ein jahrelanger Krieg von hoher Intensität“. Eine endgültige Friedensregelung wäre zunächst vertagt und bliebe diplomatischen Bemühungen vorbehalten. Diese Formel verbände „strategischen Pragmatismus mit politischen Prinzipien“ und böte anders als die Alternativen „den Vorzug, das Wünschenswerte mit dem Machbaren zu verbinden“.
Leider geben jedoch die nahezu täglich verlautbarten und angesichts des zermürbenden Kriegsverlaufs ebenso verantwortungslos wie hanebüchen wirkenden Begründungen zu uferlosen Waffen- und Munitionslieferungen – so wie beispielsweise im Verlauf des diesjährigen NATO-Warlord-Treffens in München – keinerlei Anlaß zu irgendwelchen Hoffnungen auf einen Wandel. Im Hinblick auf eine Waffenstillstands- und Friedensregelung mit diplomatischen oder gar gewaltlosen Mitteln lassen die Kriegstreiber und -hetzer der NATO keinerlei Gesprächsbereitschaft erkennen. Sie lehnen es ab, mit der russischen Regierung überhaupt nur zu reden, während sie Rußland im selben Atemzug fehlende Verhandlungsbereitschaft vorhalten – so funktioniert die perfide NATO-Kriegspropaganda.
Angesichts dieser fatalen Lage steht umso mehr eine breite zivilgesellschaftliche Friedensbewegung in der Pflicht, ihren Protest gegen die bellizistische Enthemmung zu artikulieren.
Und dies umso mehr angesichts zweier geradezu atemberaubender Skandale. Der eine besteht darin, daß die herrschende politisch Klasse dies Landes offenbar keinerlei Skrupel damit hat, heute und in Zukunft Hunderte von Milliarden Euro für eine ebenso maßlose wie hirnrissige Aufrüstung bereitzustellen, während sich der Finanzminister im selben Atemzug weigert, die dringend benötigten Gelder für eine Kindergrundsicherung herauszurücken. Und zugleich werden sowohl das Bildungs- als auch das Gesundheitssystem weiterhin unverdrossen kaputtgespart. Der zweite, nicht minder empörende Skandal besteht darin, daß den Bürgerinnen und Bürgern dieser Republik staatlicherseits jetzt und in der Zukunft erhebliche Lasten aufgebürdet werden, um die Verpflichtungen aus den völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutzabkommen zu erfüllen, zugleich aber das Militär diesbezüglich völlig außen vor bleibt. Dabei stellen die gewaltigen Militärapparate – und natürlich erst recht der Krieg! – die größten Umweltzerstörer überhaupt dar. Allein bei den Streitkräften der USA handelt es sich um den größten institutionellen CO2-Emittenten weltweit – nicht nur bei den Rüstungsausgaben, sondern auch bei der Umweltvernichtung liegt die „einzige Supermacht“ und gemeinsam mit ihr die gesamte NATO einsam an der Spitze. In Anbetracht dieser Tatsache scheint es auf der Hand zu liegen, die Prioritäten beim Klimaschutz neu zu ordnen, nämlich: Erst die wahnwitzigen Militärpotentiale abschaffen und danach die Öl- und Gasheizungen und alles weitere!
Nicht zuletzt deshalb muß es wie schon zu Zeiten des verbrecherischen Krieges der USA in Vietnam und wie in Zeiten einer maßlosen nuklearen Hochrüstung in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder heißen:
„Aufstehen für den Frieden“,
„Schwerter zu Pflugscharen“ und
„Frieden schaffen mit weniger – oder besser noch – ganz ohne Waffen!“