Kurzmeldungen

Was tun mit der AfD?

Redebeitrag zur AfD-Veranstaltung am 1. Mai in Eisleben

Lutherstadt Eisleben. Die AfD befindet sich seit Jahren in Ostdeutschland auf einem Höhenflug. In Sachsen erreicht sie aktuell 26% Prozent, in Sachsen-Anhalt steht sie bei knapp 22%.
Doch wieso wählen Menschen die AfD überhaupt? Welchen Grund hat es, dass ein Fünftel bis ein Viertel der Menschen hier im Osten ihr Kreuz bei einer in weiten Teilen reaktionären, frauen- und fremdenfeindlichen Partei macht?
Sind die alle dumm, wie es so oft heißt? Erfüllt die AfD das Klischee der Partei der Abgehängten und ewig Gestrigen sowie der Ungebildeten?
Leider ist dem nicht so. Die Wählerschaft der AfD besteht zum Großteil aus bürgerlichen, relativ gut gebildeten Menschen mit mittlerem und teilweise sogar hohem Einkommen (Zeit 10/2017). Wenn man sie mit den anderen Parteien vergleicht stellt man schnell fest, dass die Unterschiede zu diesen nicht wirklich groß sind, was Einkommen oder Bildung angeht.
Besonders erfolgreich ist die Partei bei Männern, fast 2/3 der AfD-Wählerschaft sind männlich und aus der „Generation Mitte“ also den 35-59-jährigen Menschen, wo sie gut 15 Prozent erreicht. (bpb 2017)
Bei Menschen über 70 und Menschen im Alter von 18-24 schneidet die AfD mit gerade mal jeweils 8% vergleichsweise bescheiden ab.

Warum also wählen diese Menschen die AfD?

Die Antwort darauf ist ganz einfach: Frust. Die „kleinen Leute“, wie es so schön heißt und wie sich AfDler gern selbst betiteln, fühlen sich von der Politik verraten und betrogen. Besonders stark ausgeprägt ist dies hier im ländlichen Raum, weshalb die AfD hier auch deutlich stärker ist, als in Berlin oder Hamburg. Während überall davon berichtet wird, wie gut es uns allen doch ginge scheißen viele Orte hier im Osten, um es vulgär auszudrücken, am Strick lang. Man muss sich ja nur mal unseren Kreis oder Städte wie Eisleben oder Hettstedt ansehen. Komplett pleite, sogar Haushaltsperre und deshalb so gut wie keine Möglichkeiten, etwas aktiv zu gestalten und die miserable Lage auch nur annährend zu korrigieren. Klar, dass man sich dann von „denen da oben“ nicht mehr wahrgenommen fühlt. Klar, dass man unzufrieden ist, wenn man sehen muss, wie der eigene Landkreis Tag für Tag mehr zugrunde geht. Und wenn man sich von keiner der etablierten Parteien vertreten fühlt, wählt man halt aus Protest eine andere Partei, um „denen da oben“ einen Denkzettel zu verpassen. Nur 31% der AfD-Wähler wählen die Partei aus Überzeugung, ganze 69% also aus Protest.

Die aktuelle Handlungsweise

Die Beschimpfung von AfD-Wählern durch die Bank weg als „Nazis“, "Ewiggestrige“ usw. hat der ganzen Sache einen Bärendienst erwiesen. Durch Beleidigungen und Pöbeleien überzeugt man niemanden, die AfD nicht zu wählen, sondern ermöglicht es der AfD lediglich, sich in der Opferrolle zu suhlen.
AfD Wähler werden so in ihrem Glauben, dass die anderen, also die „links-grün-versifften“ und die „Lügenpresse“ wie sie ihre Gegner immer wieder nennen der „Feind“ seien.
Gaulands Zitat am Abend der Bundestagswahl 2017: „Wir werden sie jagen…“ macht das eigentlich noch mal gut deutlich.
Mit Aktionen, wie Stände der AfD oder ihr Material, ihre Plakate etc. zu zerstören lässt sich viel fürs eigene Ego tun, weil man sich so selbst bestärken kann und sich so moralisch überlegen fühlen kann - man hat es den ach so bösen Rechten ja gezeigt und angeblich was Gutes getan.
Praktisch hingegen ändert es nichts an der Situation. Im Gegenteil es verschlimmert sie sogar noch weiter. Mit dem Verweis auf solche Aktionen in Social Media und Co. von Seiten der AfD verfestigt sich der Glauben der Wähler, aber auch der durchschnittlichen Bevölkerung an diese an sich unsinnige und haltlose Behauptung immer mehr. Aus Protestwählern werden Überzeugungswähler.


Was also tun gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft?


Das wichtigste zuerst: Man muss die Sorgen und Ängste der AfD-Wähler ernstnehmen. So irrational wie diese auch oft klingen mögen und so schwachsinnig sie auch oft seien mögen, aber mit der Aussage „ihr seid ja alle nur doof“ überzeugt man sicherlich niemanden davon, die AfD nicht zu wählen. Ob Protest- oder Überzeugungswähler.
Gleichwohl müssen wir als linksgerichtete Menschen endlich von unserem hohen Ross runter kommen. Viele Menschen fühlen sich moralisch überlegen, weil sie links sind und zeigen dies auch ganz offen gegenüber Andersdenkenden. Dies wird dann (zu Recht) als überheblich und versnobt wahrgenommen. Auch sollte man offen für die Ängste und Nöte der AfD-Wähler sein. Dafür scheinen aber viele Linke aktuell ziemlich blind zu sein.
Sicherlich ist es gut, wenn man von einer Sache überzeugt ist und sie selbstbewusst nach außen vertritt. Nur Argumente der Gegenseite auszuschlagen, weil die halt „die Bösen“ sind, nicht ernst zu nehmen oder gar zu verspotten, ändert nichts an der Tatsache, dass die Leute so denken. So sorgt man lediglich dafür, dass immer mehr Menschen aus Verdrossenheit die AfD wählen. Diese Einsichtigkeit der Dinge hilft in der Realität niemandem weiter.
Gewalt und Zerstörung, wie oft von gewissen linken Gruppierungen betrieben, stellen auch keine Lösung dar, wie eben schon erklärt. Nicht zu Unrecht heißt es oft „wer keine Argumente hat, braucht halt Gewalt“ – das galt schon auf dem Pausenhof und gilt auch in der Politik. UND WIR HABEN DIE BESSEREN ARGUMENTE!
Wir können unsere Anliegen fundiert untermauern und so jeden AfD-Politiker rhetorisch nach Sibirien jagen und den Menschen an Hand von ARGUMENTEN zeigen, dass diese Partei halt keinerlei Alternative darstellt. Warum machen wir es also nicht?
Einige werden sich nun denken „ ja, mit den AfDlern kann man ja nicht reden, die machen sofort dicht, wenn man ihnen was erklärt“. Das stimmt. Solche Menschen gibt es. Aber das ist argumentativ auf derselben Stufe, wie zu behaupten „China und die USA müssen erst mal Klimaschutz machen, bevor Deutschland da irgendwas macht!“ – einfach lächerlich.
Man muss den Leuten zuhören und ihre Sorgen und Ängste ernstnehmen. Mit ihnen darüber reden und ganz ruhig und sachlich argumentieren - auch wenn das Gegenüber irgendwas über Lügenpresse, Staatsmedien und gefälschten Statistiken erzählt. Das ist nicht leicht, aber leider der einzige wirklich effektive Weg, um diesen Menschen zu zeigen, dass die Welt doch nicht so schwarz-weiß und schlecht ist, wie sie sie sich gern vorstellen. Politkverdrossenheit oder Parteienverdrossenheit bekämpft man nicht, indem man andere beleidigt oder niedermacht. Sondern indem man mit ihnen den Diskurs sucht.

Nochmal zusammenfassend:

Nehmt die AfD-Wähler ernst, auch wenn es sicherlich nicht einfach ist und durchaus auch anstrengend sein kann. Diskutiert mit ihnen. Sucht nach der Quelle ihres Frustes und ihrer Parteien- oder Politikverdrossenheit.
Hört auf, euch als was Besseres zu sehen, nur weil ihr links seid. Das ist völliger Nonsens. Lasst euch nicht zu blöden Egotrip-Aktionen, wie AfD-Stände zerstören oder Wahlplakate abreißen hinreißen. Effizient bringt es nichts, sondern hilft lediglich der AfD, ihre kruden Ansichten über Linke und Co. durchzusetzen und zu verbreiten.

Carsten Bürger (linksjugend ['solid])

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