Politik
Stadtrat beschließt Neuguss der Ratsglocke
Stadträte von Sangerhausen beschließen in letzter Sitzung Tilgung einer Schuld aus dem Jahre 1940 und setzen ein Zeichen für Frieden und Demokratie
Bild: Geschichtsverein SGH
Sangerhausen. Am gestrigen Dienstag fand auf Einladung von Pfarrer Klemens Niemann von der evangelischen Kirche Sangerhausen ein erstes Treffen statt, um die Vorbereitungen zu treffen, im kommenden Jahr der Befreiung der Stadt Sangerhausen und unseres Landes vom Faschismus sowie der Beendigung des Zweiten Weltkrieges zu gedenken.
Die meisten Veranstaltungen werden sich 2020 wohl in dem Zeitraum zwischen dem 12. April und dem 8. Mai bewegen.
Der 12. April 1945, der im nächsten Jahr seine 75-jährige Wiederkehr feiert, war der Tag, an dem die heutige und damalige Kreisstadt Sangerhausen durch den Mut einiger beherzter und engagierter Bürger der Stadt und unter Einsatz ihres Lebens, kampflos an die vorrückende US-amerikanische Armee übergeben wurde. Damit verhinderten eben diese mutigen Bürger, dass ihre Stadt nicht das gleiche Schicksal wie viele andere deutsche Städte erleiden musste, der weiteren Zerstörung durch sinnlosen Kampfhandlungen am Ende dieses furchtbaren Krieges.
Neben diesem positiven Ereignis, der Befreiung und dem Ende des zweiten Weltkrieges, gedenkt im kommenden Jahr die Stadt Sangerhausen auch einer unrühmlichen Tat, welche die damalige Stadtverordnetenversammlung und die Verwaltung der Stadt Sangerhausen Mitte April 1940, also im nächsten Jahr vor genau 80 Jahren, umsetzten. Im Rahmen der sogenannten Metallsammlungen im Reich, um mehr Rohstoffe für Waffenproduktionen zu akquirieren - der von Deutschland ausgehende Krieg befand sich bereits im 8. Monat - wollten die genannten Institutionen anlässlich des Geburtstages Adolf Hitlers, der auch zum damaligen Zeitpunkt Ehrenbürger der Stadt Sangerhausen war, diesem die Ratsglocke, welche sich seit vielen 100 Jahren in dem Turm des Sängerhäuser Rathauses befand, als Spende für den sogenannten „Endsieg“ übergeben.
Mitte April 1940 wurde die Glocke von der technischen Nothilfe vom Rathaustürmchen, pünktlich zum „Führergeburtstag“ heruntergeholt. Heute erinnert nur noch der Haken im Dachgebälk des Türmchens an diese Glocke. Somit wurde die 1754 umgegossen Ratsglocke für die Waffenproduktion hergegeben.
Ganz im Sinne des alten Mottos „Schwerter zu Pflugscharen“ wollen alle Sangerhäuser Stadtratsfraktionen des aktuellen Rates in einer gemeinsamen Beschlussvorlage diese unrühmliche Tat tilgen.
Am 12. April 2020 möchte man in einem öffentlichen Glockenguss aus alten und neuen Granathülsen eine neue Ratsglocke erschaffen. Diese soll auch wieder an ihrem alten Platz im Türmchen des Rathauses geläutet werden.
Ganz bewusst entschied mit übergroßer Mehrheit der Stadtrat, dass diese Vorlage, der letzte Beschluss in der laufenden Legislatur, ein Zeichen setzen solle - für Demokratie und Frieden. Eine wichtige symbolträchtige Entscheidung für die Geschichte und die Zukunft unserer Stadt.Die Ratsglocke soll mit drei Motiven verziert werden. Als Erstes mit dem alten Stadtsiegel aus dem 13. Jahrhundert, als Zweites mit einem Abbild des alten Rathauses und als Drittes mit dem Wappen der Kreisstadt Sangerhausen in seiner aktuellen Fassung. Als Jahreszahlen sollen auf der Glocke die Jahre 1754,1940 und 2020 sowie die Worte "errungen", "vertan", "erneuert" stehen.
Die Herstellungskosten sollten gemäß Beschlussvorlage vollständig durch Spenden des Rates, der Verwaltung und der Bürgerinnen und Bürger aufgebracht werden.
Die Beschaffung des Materials in Form von Patronen und Granathülsen übernimmt die Schützencompagnie Sangerhausen 1571 e.V.. Die Regie über die gesamten Arbeiten wurde dem Verein für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e. V. übertragen, begleitet durch die Initiative Erinnern und Gedenken.
Ein zweites wichtiges Datum im nächsten Jahr ist der bereits genannte 8. Mai 2020, der Befreiung Deutschlands vom Hitler-Faschismus. An diesem Tag, 75 Jahre nach der Kapitulation, sollte die am 12. April 2020 neu gegossene Glocke das erste Mal wieder im Turm des Rathauses als Mahnung für Frieden und Demokratie läuten.
Beide Veranstaltungen, sowohl im April wie auch im Mai, sollen öffentlich unter größtmöglicher Beteiligung der Bevölkerung gestaltet werden.
Um die ordnungsgemäße und zeitgerechte Umzusetzung wird sich ein zu bildendes Kuratorium “Ratsglocke 2020“ kümmern. Das Kuratorium soll aus dem Vorsitzenden des Geschichtsvereins, Herrn Helmut Loth, einem Vertreter der Verwaltung der Stadt Sangerhausen sowie drei vom Stadtrat bestimmten Mitgliedern, Herrn Mario Milde, Dr. Peter Gerlinghoff und dem Stadtrat Holger Hüttel bestehen.
Gemäß den ersten Gesprächen bei Pfarrer Niemann wird es jedoch noch eine Reihe von weiteren Veranstaltungen im kommenden Jahr geben, die an die Ereignisse vor 75 Jahren erinnern sollen. Die Mansfeller Zeitung wird weiterhin darüber berichten.
Die Mitteldeutsche Zeitung berichtete ebenfalls: https://www.mz-web.de/sangerhausen/spendenaktion-ob-sven-strauss--spd--kritisiert-plaene-fuer-ratsglocke-32680694
Holger Hüttel